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Unternehmen tragen Verantwortung

In der Schweiz scheiterte im zurückliegenden Jahr die Konzernverantwortungsinitiative. Doch damit ist das Thema nicht vom Tisch. Gegenvorschläge stehen nun zur Abstimmung.
MÄRKTE & ZERTIFIKATE focus berichtet über die Hintergründe und erklärt, warum die neuen Gesetze auch eine Chance für Unternehmen und Anleger darstellen.

November 2021 - Auch Unternehmen tragen soziale und gesellschaftliche Verantwortung – so in etwa könnte man die zahlreichen gesetzlichen Initiativen zusammenfassen, die derzeit Konzerne dazu verpflichten, auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzstandards Wert zu legen. Und das nicht nur in den eigenen „vier Wänden“, sondern auch bei ihren Geschäftspartnern. In Deutschland etwa wurde ein solches Gesetz im Juni 2021 vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), kurz Lieferkettengesetz, gilt ab Januar 2023 und verpflichtet grössere Unternehmen dazu, auf die Einhaltung von Arbeits- und Umweltschutzbedingungen auch bei ihren Zulieferern zu pochen.

Entsprechende Bemühungen gibt es auch in Österreich, auf europäischer Ebene, und natürlich auch in der Schweiz. In der Schweiz wurde die Konzernverantwortungsinitiative im zurückliegenden Jahr in einer Abstimmung vom Stimmvolk zwar mit knapper Mehrheit angenommen, doch die Initiative scheiterte dann an der Mehrheit der Kantone (Ständemehr). Seitdem werden Gegenentwürfe diskutiert, die die Vorgaben für die Unternehmen aus der Konzernverantwortungsinitiative zwar abgeschwächt, sich aber an bestehenden Regularien in der Europäischen Union (EU) orientieren. Noch ist unklar, wie die endgültige Umsetzung in der Schweiz aussehen wird.

Lieferkettengesetze können im Unternehmensinteresse liegen
Festzuhalten ist aber, dass die neuen Lieferkettengesetze an sich, egal in welcher Ausprägung, keine Überraschung darstellen. Denn im Kern greifen sie auf eine Initiative der Vereinten Nationen (UN) schon aus dem Jahr 2011 zurück. Damals wurden die UN Guiding Principles on Business and Human Rights (UNGP) verabschiedet, die bestehen aus 31 Prinzipien, die sowohl Staaten wie auch Unternehmen dazu verpflichten, auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu achten. In der Folge wurden in der EU im Jahr 2014 die CSR-Richtlinien erlassen. CSR steht für Corporate Social Responsibility, auf Deutsch gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Die Richtlinien stärken die Bedeutung der nicht-finanziellen Berichterstattung, also von sozialen und ökologischen Aspekten, für Konzerne. Die Lieferkettengesetze, das deutsche ebenso wie die nun zur Diskussion stehenden Varianten in der Schweiz, kommen also nicht überraschend. Unternehmen hätten sich darauf vorbereiten können.

Die neuen Lieferkettengesetze können zudem für Unternehmen auch eine Chance darstellen. Denn sie können durchaus im Interesse eines Unternehmens liegen. Das soll kurz am Beispiel von Nestlé gezeigt werden.
Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern hat sich lange Zeit mit dem Thema Verantwortung schwer getan. Das ist zum Teil bis heute so. So steht der Konzern nach wie vor wegen seines Engagements bei Wasserquellen in der Kritik. Durch den Erwerb der Quellen, so der Vorwurf, schliesse Nestlé Bevölkerungsschichten von der Versorgung mit kostenlosem Trinkwasser aus. Das ist die eine Seite, die andere, beim Kakaoanbau etwa hat Nestlé durchaus dazugelernt. Seit einem im Jahr 2009 aufgelegten „Cocoa Plan“ unterstützt Nestlé Kakaobauern etwa bei der Verjüngung ihrer Plantagen. Bessere Erntemethoden und Schulungen sollen helfen, die Erträge zu steigern. Flankiert wird das Engagement von Hilfen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bauern. Natürlich geschieht das nicht uneigennützig, Nestlé sichert sich so letztendlich die stete Versorgung mit Kakao, aber „Uneigennützigkeit“ ist in den Lieferkettengesetzen ja auch nicht gefordert.

Chancen bieten die Lieferkettengesetze auch für Unternehmen, die sich auf die Kontrolle von Produktionsabläufen spezialisiert haben, wie etwa SGS. Der Schweizer Prüfkonzern überwacht bei Nestlé die Einhaltung definierter Standards zu Arbeitssicherheit, Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz bei den Lieferanten. Ein für SGS wachsender Geschäftsbereich. Die Schweizer werben damit, dass sie mit über 90.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in rund 2.600 Niederlassungen weltweit quasi überall präsent sind und jederzeit Prüfungen vor Ort – auch im Rahmen der neuen Lieferkettengesetze – vornehmen können. Das gilt auch für extrem problematische Bereiche, wie etwa der Rohstoffversorgung. „SGS trägt dafür Sorge, dass die Qualität von der Mine bis hin zum Stahlwerk, zur Fahrzeugfabrik und zum Ausstellungsraum garantiert ist“, wirbt der Konzern auf seiner Webseite.

Auch Anleger sind gefordert
Komplexe Lieferketten gehören heute zum Wirtschaftsalltag. Doch diese bergen aufgrund unterschiedlicher Praktiken in den Ländern bezüglich Menschenrechte und Umweltschutz grosse Risiken. Die neuen Lieferkettengesetze können einen Beitrag dazu leisten, die Risiken zu erkennen und zu minimieren. Doch klar ist auch, dass es sich dabei um einen dauerhaften Überwachsungsprozess handelt. Eine einmalige Überprüfung reicht nicht aus. Damit steht auch der Anleger in der Pflicht, seine Aktienfavoriten in Zukunft verstärkt auf nicht-finanzielle Aspekte zu überprüfen. Das sollte er allein schon deswegen tun, weil die Gefahr wächst, dass Unternehmen, wenn sie sich nicht entsprechend den Forderungen der Lieferkettengesetze verhalten, an der Börse langfristig abgestraft werden.

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